Alpaufzug und Aufregung. Kurz bevor die Kühe kommen.

Alpaufzug und Aufregung. Kurz bevor die Kühe kommen.

Alpvorbereitung. Die letzten Tage waren anstrengend. Wir wussten nicht genau wann das Vieh kommt, denn das Wetter und die Vegetation haben noch nicht so mitgespielt wie es hätte sein sollen. Sogar die Bauern höchst persönlich waren hier Oben, um beurteilen zu können ob es schon genug Futter für den Sommer hat.

 

Wir waren vor gut zwei Wochen schon hier, um vor zu zäunen. Um alles zu erledige was geht, so bleibt es uns während des Sommers erspart. Denn dann können genug andere Dinge anfallen die unvorhergesehen unsere wenige Zeit benötigen und vorallem fressen.

Über Nacht hatte es geschneit, am 26. Mai.

Doch in der ersten Nacht hier oben wurde es plötzlich ganz still. Unheimlich still. Als wir früh morgens aus unseren Fenstern lugten, halb zitternd, gerade unter der warmen Bettdecke hervorgewühlt, weil es Minusgrade hatte, sahen wir um uns herum eine weiß glitzernde Schneedecke liegen. Über Nacht hatte es geschneit, am 26. Mai. Das Zäunen wurde somit abgeblasen. Wir machten uns wieder auf den Heimweg. Auch das kann vorkommen, zu dieser Jahreszeit nicht gerade selten.

Jetzt sind wir wieder hier. Der Schnee von der Sonne weggeschleckt, innerhalb kürzester Zeit von grünen Wiesen und blühendem Löwenzahn abgelöst stehen wir auf fast 2000 Höhenmetern am Berg. Der Winter hatte hoffentlich endgültig seine Arbeit getan. Und dann war es endlich so weit. Oder ging es uns jetzt doch ein wenig zu schnell?

Isolatoren eingedreht und Draht darüber gespannt, sodass wir am Abend kaum noch unser Wurstbrot in den Händen halten konnten.

Wir hatten die letzten Tage von morgens bis abends durchgearbeitet. Schwere Pfähle den steilen Hang hochgeschleppt, sie mit  Schlägel Kraft und Schweiß in den Erdboden sinken lassen, Stück für Stück, Schlag für Schlag. Isolatoren eingedreht und Draht darüber gespannt, sodass wir am Abend kaum noch unser Wurstbrot in den Händen halten konnten.

Sogar der Melkanlagenspezialist namens Milchrudi war schon da.

Die gesamte Hütte mit Stall aus seinem Winterschlaf geweckt, die verschraubten dicht gemachten Fenster geöffnet, den Stall vorbereitet, die Milchkammer geputzt, sogar der Melkanlagenspezialist dessen Spitzname Milchrudi war, hatte die gesamte Anlage gewartet und repariert, so wie jedes Jahr eigentlich.

Und jetzt in diesem Moment klingelt das Alptelefon. Der Alpmeister ruft an. Ich betrachte das blinkende Telefon schon fast Ehrfürchtig, als würde jetzt die wahre große Wahrheit ans Licht kommen wenn ich ihn abhebe, obwohl es egal war und ich mich doch jetzt schon so lange darauf gefreut hatte?! Wie lächerlich ich mich gerade verhalte. Ich lache über mich selbst.

Es wurde also ernst. Plötzlich. Schnell. In kürzester Zeit.

Dennoch. Mein Puls erhöht sich ein wenig, denn ich vermute bereits was er mir jetzt sagen wird. Und so war es auch. „Und? Seid ihr bereit?“ klingt es ein wenig schelmisch durch den Hörer.  „Das Jungvieh kommt morgen, und die Kühe in zwei Tagen“. Es wurde also ernst. Plötzlich. Schnell. In kürzester Zeit. Auf der einen Seite später wie ursprünglich geplant, doch in diesem Moment schneller wie wir dachten und vorallem gerade wahr haben wollten.

Waren wir denn schon bereit dafür? Für den Alpaufzug? Nein, irgendwie nicht.

Waren wir denn schon bereit dafür? Für den Alpaufzug? Nein, irgendwie nicht. Einen Moment lang kommt Panik auf. Aufregung. Die zum Glück sofort wieder verpufft. Wir müssen eigentlich nur noch ein paar Ziehzäune stecken, um die Kühe einfacher hinaustreiben zu können. Ansonsten können wir sowieso nichts mehr machen. Ganz oben hat es noch Schnee, dort können wir noch nicht hin.

Das alles steht in den Sternen, dennoch hat man schon einiges erlebt, in den letzten Sömmern.

Wir sind dennoch nervös. Einige von uns wissen bereits was auf sie zukommt. Ungewisses wie Wetter, Unfälle, Harmonie oder Nichtharmonie im Alpteam, verletzte Kühe, wie sind die Bauern… Das alles steht in den Sternen, dennoch hat man schon einiges erlebt, in den letzten Sömmern.

Aber Fakt ist eben auch, wir wissen zwar was uns an Herausforderungen bevor stehen könnte die nicht unbedingt schön sind, dennoch wissen wir was es für schöne Wahnsinnsmomente geben wird, hier, hoch oben, am Berg, die alles wieder wett machen.

Wir schlafen noch ein letztes Mal aus bevor es losgeht. Manche können das noch, andere sind so nervös, dass sie morgens um 6 hellwach auf der Matte stehen.

Und dann ist es so weit. Der Kaffee und Kuchen für die Bauern sind vorbereitet, das erste Glockengeläut kommt immer näher. Es klingt in meinen Ohren. Eine Melodie die heute Aufregung und Glückseligkeit zugleich hervorrufen. Die ersten Bauern treiben bereits ihr Vieh den Weg zu uns hinauf. Man sieht es den Kühen an wie es sie in die Berge zu frischem Gras und den besten Kräutern zieht.

Sie wissen das bereits, wenn ihnen die Glocken im Tal angelegt werden, wo es hingeht, sagen die Bauern.

Sie wissen das bereits, wenn ihnen die Glocken im Tal angelegt werden, wo es hingeht, sagen die Bauern. Und schon tragen die ersten Kühe Kämpfe für die Rangordnung der Herde aus. Kopf an Kopf.

Im nächsten Moment schon vergesse fast, was mir gerade Sorgen bereitet hat.

Jetzt haben wir die Verantwortung in der Hand. Einen ganzen Sommer lang.

Gott segne die Tiere, die Alp, die Älpler. Dass alles gut gehen wird