Die Kühe kommen – heute wird nochmal ausgeschlafen

Die Kühe kommen – heute wird nochmal ausgeschlafen

Ein besonderer Tag, die Alpauffahrt. Heute Nachmittag bringen alle Bauern ihre Kühe, ein schöner aber auch nervenaufreibender und zugleich aufregender Tag. Den Wecker habe ich heute Morgen nicht gestellt. Das letzte Mal ausschlafen wird voll genossen und zelebriert soweit es die Aufregung überhaupt zulässt.

Glücklicherweise hat die Anspannung es zugelassen, denn ich habe es wirklich voll und ganz bis fast 9 Uhr ausgereizt. Das letzte mal für diesen Sommer, denn ab dann heißt es gute 100 Tage am Stück früh aufstehen und das ohne Ausnahme.

Wir richten zu guter Letzt noch den Stall her, machen die Ketten die die Kühe an ihrem Platz halten sollen überall fest. Man merkt ein wenig die Anspannung und Aufregung unter uns Älplern. Was erwartet uns den Sommer? Hält das Team zusammen? Wird der Start gut verlaufen? Alles fragen die man mehr oder weniger im Hinterkopf trägt.

Während wir Frühstücken ist es deswegen ruhig am Tisch. Jeder scheint nochmals in sich zu gehen.

Vor Vorfreude? Anspannung? Ziemlich sicher beides.

Abschließend wird noch Kaffee aufgebrüht, kalte Holunderschorle auf den Tischgestellt und Kuchen und süße Stückchen hergerichtet. Für die Bauern, wenn sie mit ihren Kühen bei uns ankommen.

Und dann? Dann stehen wir da, warten, warten und warten. 5 Minuten kommen einem wie eine halbe Ewigkeit vor. Immer wieder laufe ich mit dem Fernglas an den Aussichtspunkt von dem aus wir auf den Weg der zu uns führt schauen können. Kurz spitzeln ob schon jemand in der Nähe ist dann wieder zurück zur Hütte laufen, ich muss schon fast über mich selbst lachen, wie eine Hummel, ständig in Bewegung.

Nachdem ich das gefühlte zehnte Mal auf und ab gelaufen bin ist es endlich soweit, die ersten Bauern sind mit ihren Kühen im Anmarsch.

Zwei kommen mit einem Viehtransporter da sie sehr weit weg wohnen. Der Rest zu Fuß.

Als dann nach einiger Zeit alle Bauern mit ihren gesamt 117 Kühen eingetroffen sind gibt es Kaffee und Kuchen. Nebenher werden noch ein paar organisatorische Dinge von den Alpmeistern geregelt.

Dann geht es endlich los. Heute haben wir Älpler noch ein wenig Schonfrist. Denn die Bauern stallen heute ihre Kühe selbst ein. Jede Kuh bekommt ihren eigenen Platz und wird dort noch höchstpersönlich von ihren Bauern hingeführt und parkiert.

Irgendwie ein witziges amüsantes Geschehen dem „Spektakel“ zuzuschauen. Jeder der Bauern ist anders, tickt anders, handelt ein klein wenig anders. Die Kühe der jeweiligen Bauern sind ebenfalls unterschiedlich passen aber auch irgendwie zu jedem einzelnen.

„wie der Herr so´s Gscherr, wie der Bauer so seine Kühe“ kommt mir spontan in den Sinn und ich muss ein wenig in mich hinein Grinsen.

Ich genieße diese Augenblicke noch auch wenn es etwas hektisch zugeht da viele Kühe die Umgebung und die vielen Menschen noch nicht gewohnt sind. Dann sind alle Kühe an ihren Plätzen versorgt. Anschließend fordert der Alpmeister alle Bauern, Helfer und uns Älpler auf an das Kreuz zu kommen das gegenüber des Stalles steht. Das jährliche und traditionelle Alpgebet steht an.

Alle stehen im Kreis vor dem Kreuz, diejenigen die welche tragen (fast alle) nehmen ihre Mützen ab und wir beten das „Vater unser“. Irgendwie ein sehr schöner Moment der verbindet. Hier wird noch Tradition und vor allem der Glaube gepflegt.

Ein kleiner Alpsegen für uns alle.

Nachdem der Alpmeister nach dem Gebet das Wort ergriffen hat um allen einen schönen unfallfreien Sommer, mit viel Gras und gutem Wetter zu wünschen wird es ernst. Wir Älpler müssen jetzt die Verantwortung soweit es geht übernehmen. Es wird zum ersten Mal für diesen Sommer gemolken. Der Melkschemel wird umgebunden, die Gummistiefel angezogen, jeder schnappt sich seine Melkzeuge und schon geht es los. Einige Kühe sind noch ziemlich nervös und lassen deswegen die Milch heute nicht laufen. Dafür morgen, hoffe ich zumindest. Nach 2,5 Stunden sind wir fertig.

Wir lassen die Kühe los, einige reißen an den Ketten da sie raus auf die frischen Wiesen und weg von der ungewohnten Umgebung wollen.

Zum Glück haben wir die Bauern die uns heute noch beim Losbinden helfen.

Ich bin ein wenig unruhig, da ich hoffe, dass keine der Kühe durch den Zaun geht, besonders in der ersten Nacht ist das immer kritisch und gefährlich da viele Kühe unruhig sind oder noch ihre Rangordnung auskämpfen müssen und es dann gut sein kann dass ein der vielen durch den Zaun drückt.

Während die Kühe draußen mehr oder weniger gemütlich oder auch nicht vor sich hin fressen putzen wir den Stall.

Ein anstrengender Tag nimmt sein Ende in dem wir Älpler traditionell mit je einem Glas Schnaps auf der Weide zwischen den Kühen stehend auf einen schönen Alpsommer anstoßen. Dazu sage ich noch an mein Alpteam gewandt: Ich wünsche uns allen einen schönen unfallfreien Alpsommer, mit viel Sonne, aber auch Regen wenn wir ihn brauchen, dass wir als Alpteam super zusammenhalten, in guten sowie in den schwierigen Situationen und Rücksicht aufeinander nehmen. Vor allem aber wünsche ich uns ganz viel Spaß bei der Arbeit,

denn mit einem guten oder schlechten Alpteam das harmoniert oder auch nicht, steht oder fällt die Qualität eines Alpsommers.

Amen.