Martha – mein Alpsommer im Babybauch

Martha – mein Alpsommer im Babybauch

„Das kannst du nicht machen, du bist total verrückt“ , „wie soll das denn funktionieren, schwanger auf der Alp, wie weit bist du jetzt? Ach schon so weit? Aber nicht dass das noch eine Frühgeburt gibt!“ , „Mit Käsen? Knapp 7 Tonnen Käse musst du machen? Und du käst zum ersten mal? Du spinnst“.

 

Es klingt sanft und gedämpft durch Mama´s Bauchdecke hindurch. Ich höre sie. Die Stimmen der vielen Leute die dagegen sprechen bei dem was sie vor hat. Und noch mehr spüre ich bei den ganzen Widersprüchen wie auch ihre Überzeugung immer wieder ins Wanken gerät und sie halb verzweifelt versucht ihr Vorhaben und dass sie schwanger und nicht krank ist zu verteidigen.

Und dann gab es dort eine Stimme, die von einer Lehrerin vom Sennenkurs stammte: Du musst ein bisschen Vertrauen zu dir selbst und deinem Körper haben, das ist das Wichtigste, dann kommt das schon gut, du wirst sehen!

Und dann gab es dort eine Stimme, die von einer Lehrerin vom Sennenkurs stammte: „Du musst ein bisschen Vertrauen zu dir selbst und deinem Körper haben, das ist das Wichtigste, dann kommt das schon gut, du wirst sehen!“

Und ich? Ich freute mich sowieso darauf, denn wenn meine Mama an die Alp denkt, bekomme ich immer eine kleine Portion Glückshormone ab.

Sie hat mir sogar versprochen, dass sie dann sofort aufhört.

Wir sind jetzt oben. Auf der Alp, ich merke das, denn die Luft ist etwas dünner aber so fein sauber. Ich bin nun schon 6 Monate und 2 Wochen alt. Kann hören und auch schon die Augen öffnen. Heute kommen die Kühe, hat die Mama vorhin leise zu mir in den Bauch zugeflüstert. Und ich soll ihr sagen wenn ich mich zwischen den Kühen beim Melken nicht wohlfühle oder sie zu viel arbeitet. Sie hat mir sogar versprochen, dass sie dann sofort aufhört.

Ich bin ganz ruhig im Bauch als ich die Glockengeräusche in meiner Nähe höre, spüre jedoch auch, dass sowohl meine Mama, mein Papa, als auch andere Menschen um uns herum aufgeregt und nervös sind. Der erste Alptag.

Gebimmel. Es hört sich so schön an. Fast wie Musik. Ich mag das.

Ich bin so froh dass ich geschützt in Mamas Bauch sein darf. Da fühle ich mich sicher. Papa ist gerade auch auf der Alp und hilft uns. Das finde ich am allerschönsten. Dann höre ich beide immer so viel Lachen wenn er da ist. Mama´s Herz schlägt in solchen Momenten immer ein wenig schneller und kurz darauf kommen ganz viel schöne Gefühle bei mir durch die Nabelschnur an. Wenn der Papa das nur wüsste. Ob das wohl Liebe ist?

Sie haben jetzt die Kühe eingestallt und fangen an zu Melken. Mir ist das zu langweilig. Immer das Gleiche, auf den Melkschemel sitzen, aufstehen, Melkzeug anhängen, Melkzeug abhängen. Nach kürzester Zeit bin ich in ihrem Bauch schon wieder eingeschlafen. Vorher hab ich den Kühen noch zugeflüstert dass sie anständig sein sollen.

Ich wache wieder von rythmischem Glockengebimmel auf. Oh wie schön das klingt. Aber nur kurz dann kommen wir in einen Raum mit Musik und einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit. Die Käserei. Mama und ich Käsen jetzt. Die Zusennin hilft uns dabei.

Mama ist aufgeregt. Das spüre ich.

„Martha, du machst die kleinen Käse, also die Mutschli, wir machen die großen ok?“ sie spricht zu mir, ganz leise, und sie nennt mich sogar schon beim Namen, obwohl sie doch noch gar nicht weiß ob ich ein Junge oder ein Mädchen werde?

Ich spüre wie die Mama lacht, ich lache mit ihr und strampel dabei ein wenig mit meinen Füßen gegen ihren Bauch. Sie streichelt mir sanft über meine Füßchen. Und los geht es. Mama ist aufgeregt. Das spüre ich. Weil sie das zum allerersten Mal macht und sie guten Käse machen möchte.

Hier drin ist es wie in einer Sauna, 43 Grad hat es

Ich muss zwischen drin immer wieder schlafen. Aber mir geht es gut. Einmal bin ich aufgewacht als die Mama ziemlich geschwitzt und schnelle Bewegungen gemacht hat. Gespannt und muxmäuschen still warte ich in ihrem Bauch ab was passiert, ihr Herzschlag wird schneller. „So – den Käseauszug haben wir geschafft, hier drin ist es wie in einer Sauna, 43 Grad hat es, ich bin patsch nass geschwitzt, lass uns schnell den Käse abdecken damit er seine Temperatur hält, dann können wir kurz das Fenster öffnen.“ höre ich sie zur Zusennin sagen. Aha.

Jetzt gehen wir noch Käseschmieren und Butter machen. Dort ist es viel kälter. 14 Grad hat es. Aber die Mama packt uns beide zum Glück schön warm ein.

Wenn die nur wüssten, dass ich alles mithöre was sie reden.

Es ist alles total aufregend und doch so schön beruhigend für mich im Bauch. Melken, Käsen, Sternenhimmel, Sonnenaufgänge, Sonnenuntergänge, Blumenwiesen, Glockengebimmel und ich ganz unauffällig mittendrin. Wenn die nur wüssten, dass ich alles mithöre was sie reden.

Ich merke, dass sie fast nicht mehr kann und sage ihr nach 10 Tagen dass sie wenn es bald nicht besser wird abbrechen muss

Nach einigen Wochen haben wir über 500 Laib Käse im Keller. Wir verbringen im Käsekeller sehr viel Zeit. Käseschmieren. Das ist eigentlich schön weil Papa immer mit dabei ist. Aber es ist auch richtig anstrengend. Nach drei Wochen hat meine Mama an beiden Handgelenken eine schwere Sehnenscheidentzündung, sodass sie weinend aufwacht und Nachts nicht schlafen kann. Ich merke, dass sie fast nicht mehr kann und sage ihr nach 10 Tagen dass sie wenn es bald nicht besser wird abbrechen muss weil sonst auch ich darunter leide. Sie hört auf mich, macht 2 Tage Zwangspause, geht nur vormittags Käsen und legt sich dann mit eingebundenen Händen ins Bett. Sie verzichtet mir zu liebe auf Schmerzmittel da sie Angst hat mir damit zu schaden. Und es bessert sich tätsächlich langsam. Kein Abbruch des Alpsommers.

Es ist Ende Juli. Ich bin nun schon 8 Monate alt und richtig gewachsen. Ich bekomme täglich eine halbe Wassermelone zum essen und auch ganz viel andere gute Sachen. Meine Mama macht immer Witze dass wir mit Kessel am Kessel stehen. Mir gefällt es wenn sie lacht. Anstrengend ist es jedoch immer noch und immer mehr. Melken, Käsen, Melken.

Wir hatten sogar bessere Werte wie vor der Alp im Tal.

Wir stehen morgens um halb 4 auf und gehen dann erst um 1 Uhr zum Mittagschlaf machen. Da ich so viel wachse raube ich meiner Mama zusätzlich viel Energie. Mir geht es wunderbar, letztens waren wir im Dorf bei einem Frauenarzt. Mama hat abgenommen, ich ordentlich zugenommen. Und wir hatten sogar bessere Werte wie vor der Alp im Tal. Mama war ziemlich stolz. Ach Mama…

Obwohl es mir sehr gut geht musste ich ihr dennoch vor ein paar Tagen sagen, dass wir mehr Ruhe brauchen. Jetzt bleibt sie morgens mir zu liebe eine dreiviertelstunde länger liegen während die anderen schon einmal die Kühe holen und einstallen. Dafür hilft mein Papa fleißig mit. Es ist so schön wenn er auch da ist. Ich spüre das. Auch Mama ist dann noch glücklicher.

Wir sind fertig mit Käsen. Wassermelone und ein Glas Sirup schmecke ich durch mein Fruchtwasser hindurch. Etwas helles strahlt durch die Bauchdecke. Wärme und Licht, die Sonne. Gebimmel dringt in meine Ohren. Mama hat  das T-shirt hochgekrempelt und lässt Sonne auf unseren Bauch scheinen.

Ich glaube wir sind bei den Kühen und machen eine Pause. Ich mag es wenn wir draußen sind und wenn Mama sich so viel bewegt. Dann wird das Gebimmel rythmischer. „hey, auf gehts, hop, hop, hop“ höre ich die Mama und Papa laut rufen. Wir treiben die Kühe zusammen, denn bald ist es Zeit zu Melken.

Mittagsschlafzeit. Wollen wir zumindest. Aber die Mama sitzt noch am Handy, ist mit ihrem Kopf ganz woanders als im hier und jetzt. Ich strample wie wild in ihrem Bauch, denn ihre Aufmerksam ist in der kurzen Zeit die wir füreinander haben nicht bei mir.

Das macht sie jeden morgen nach dem Aufstehen und jeden Abend wenn sie ins Bett geht

Sie scheint es zu kapieren, legt schnell ihr Handy weg und massiert unseren Bauch liebevoll mit Öl ein. Dabei redet sie mit mir. Wie gerne ich das mag. Unser Ritual. Das macht sie jeden morgen nach dem Aufstehen und Abends macht es meistens Papa wenn wir ins Bett gehen. Zeit für uns. Bauch eincremen und mit mir reden. Jetzt bin ich stolz auf die Mama und den Papa.

Wir gehen 2 Wochen früher von der Alp heim

„Ich werde jetzt dann nachhause gehen, bevor der Nachwuchs kommt sollte ich noch ein paar Vorbereitungen Zuhause treffen, aber wenn irgendetwas ist, komme ich sofort wieder auf die Alp.“ höre ich es durch die Bauchdecke hindurch. Wir gehen 2 Wochen früher von der Alp heim, wollen aber wieder zum Alpabzug und Alp aufräumen kommen. Auch wenn es hier oben sehr schön ist freue ich mich auf daheim, denn da wartet mein Papa auf uns, den vermisse ich, dann sind wir als Familie wieder komplett. So fehtl irgendwie etwa. Und in ca 5 Wochen soll ich ja schon auf die Welt kommen.

Wenn die wüssten, dass ich komme wann ICH es will...

Laute rythmische Glocken, lauter als sonst. Meine Mama weint. Freudentränen. Die Freudentränen des Alpsommers, voller Stolz streicht sie über unseren Bauch. Ich freue mich mit ihr.

Meine Mama läuft mit mir den Alpabzug von der Alp bis ins Tal hinunter. Mein erster Alpabzug.

Wenn es ihr gut geht, dann geht es mir auch gut. Es ist Alpabzug und ich höre eine wunderschöne Musik ganz nah an meinen Ohren. Es geht gute drei Stunden. Meine Mama läuft mit mir den Alpabzug von der Alp bis ins Tal hinunter. Mein erster Alpabzug.

12 Tage nach dem Alpabzug… Ich will jetzt raus hier, Mama und Papa kennenlernen und die Welt erkunden. Ich bin Martha Maria und habe schon meinen ersten Alpsommer hinter mir 🙂