Älpler im Portrait – Daniel – Das Bergfieber bekommt man nicht so schnell wieder los.

Älpler im Portrait – Daniel – Das Bergfieber bekommt man nicht so schnell wieder los.

Älplergespräch

 Für die Rubrik Älplergespräch haben wir uns mit Menschen unterhalten, die das Alpgefühl in sich tragen. Diese Gespräche haben wir zu Papier gebracht und schenken sie Euch – eins nach dem anderen – zum Nachlesen.

 

Name, Vorname: Frey, Daniel

Geburtsjahr: 1988

Heimatort, -land: Sulzberg, Deutschland

Alpstationen mit Jahr:

2012 – Graubünden (CH) – Alpe Nova – Hirte

2014 – Kleinwalsertal (A) – Melköde – Hirte

2015 und 2016 – Oberallgäu (D) – Alpe Oberberg – Hirte,

2017 – Oberallgäu (D) – Alpe Untere Wilhelmine – Hirte

 

Den 29-jährigen Oberallgäuer kennt man positiv und gelassen, immer gut drauf und in der Musikkapelle aktiv, sofern er nicht gerade auf der Alp ist. Daniel ist ein Hirte, der mit Herz und großem Verantwortungsgefühl bei der Sache ist. Nach vier Alpsommern Erfahrung in Sennbergen steht er dieses Jahr vor einer Veränderung.

 

Was hat bei dir die Begeisterung für die (Berg-)Landwirtschaft ausgelöst?

Mein Nachbar hat einen Hof, dem habe ich schon als Bub immer viel geholfen und viel gelernt.

Nach und nach hat mich dann auch die Berglandwirtschaft immer mehr interessiert, ich wollte das mal ausprobieren. Und in meinem ersten Alpsommer hat es mir auf Anhieb wahnsinnig gut gefallen.

 

Und jetzt bist du mit dem Älplervirus infiziert.

Ja, das kann man schon so sagen. Wenn es im Frühjahr grün wird, werde ich schon langsam wieder unruhig [lacht] und freue mich auf den nächsten Alpsommer. Genauso gern gehe ich dann im Herbst aber wieder runter ins Tal. Da wartet wieder die Arbeit daheim, man freut sich, wieder Freunde zu treffen oder auf ein Fest zu gehen. Das gehört auch dazu.

 

Was machst du im Winter?

 Im Winter arbeite ich als Installateur für Heizung/Sanitär. Da kann ich im Frühling aufhören und im Herbst jederzeit wieder anfangen. Zum Glück kann ich das mit meinem Chef flexibel abstimmen.

Außerdem habe ich mit einem Bekannten zusammen einen Stall gepachtet, da versorgen wir 20 Stück Jungvieh.

Welcher Moment, welche Geschichte wird dir von der Alp immer in Erinnerung bleiben?

Da tue ich mir schwer, ein bestimmtes, einmaliges Erlebnis herauszugreifen.

Was aber jedes Jahr wieder aufs Neue ein wahnsinnig schöner Moment für mich ist, das ist wenn man am Anfang vom Alpsommer zum ersten Mal das Vieh da hat und sie um die Hütte rum hört. Es scheallet all’s, und in den Berg kommt wieder ein Leben. Das freut mich jedes Mal unbändig. Auf diesen Moment fiebert man ja lange hin. Man ist ja zum Teil schon ein bis zwei Wochen vorher im Alpgebiet und macht die Vorbereitungen. Wenn dann endlich das Vieh da ist, ist das total schön.

 

Was war dein schlimmstes Erlebnis auf der Alp?

Mei, das schlimmste ist natürlich, wenn dir ein Stück Vieh vergantet. Da muss ich daran denken, wie wir 2014 im Kleinwalsertal  einen schumpen verloren haben. Wir haben gemerkt, dass einer  fehlt und die tagelang gesucht. An der Suche waren Viele beteiligt, aber es hat nichts genützt. Die hat sich verstiegen und ist abgestürzt. Wir haben sie dann tot gefunden.

Im Oberberg (Sennalpe im Oberallgäu) ist sich einmal eine gute Kuh auf eine Zitze getreten. Dann arbeitest du wochenweise darauf hin, dass es wieder wird. Du willst sie ja nicht aufgeben. Tierarzt holen, Euter baden, spritzen und Milch ablassen, man schaut, dass man die Kuh wieder hinbringt und am Ende hast du drei, vier Wochen rumdantlet und musst sie dann doch aufgeben und heimschicken. Dann ist sie zum Metzger gekommen. Des sind dann au so Däg, wo eigentlich verschliefe mechtesch.

Du bekommst im Frühjahr ein gesundes Vieh und willst es auch wieder gesund zurückgeben. Und dann musst du dem Bauern sagen, dass er sie holen muss.

 

Wobei bei solchen Sachen der beste Hirt nix machen kann.

Ja, das ist klar. Aber sowas wurmt dich ganz lang. Dann kommst du wieder in den Stall und siehst den leeren Platz, wo die Kuh gestanden ist, und denkst immer dran.

Dann ist auch  noch einer zu mir gekommen und hat gesagt „Oh schade, jetzt ist der Kranz hin…“ Da muss ich sagen, also, um den Kranz geht’s mir nicht. Der Kranz ist mir in dem Fall sowas von wurscht, mir geht’s darum, dass ich das Vieh nach so einem Vorfall nicht mehr so zurückgeben kann, wie ich es bekommen habe.

Aber ich muss auch sagen, dass mir noch nie ein Bauer einen Vorwurf gemacht hat, wenn ein Unfall passiert ist. Sowas kann leider ganz schnell passieren. Wenn man mit Vieh zu tun hat, muss man damit rechnen.

 

Verändert man sich durch das Leben und Arbeiten als Älpler?

Wenn ich nach einem Alpsommer wieder nach Hause komme, heißt es immer, ich sei „eigen“ geworden. [lacht] Man ist halt im Berg viel mit sich selber konfrontiert und andere Menschen nicht mehr so gewöhnt.

Im Alpsommer 2012 haben wir den ganzen Sommer über sage und schreibe 11 Wanderer getroffen, sonst keine anderen Leute, abgesehen von den Bauern.

Man ist mehr beim Wesentlichen.

Und man merkt erst, wie abhängig man unter dem Jahr eigentlich von z.B. Handy oder Internet ist und dass es auch ohne geht.

 

Wie sieht dein Alltag auf der Alp aus?

 Also, in der Schweiz (2012 auf der Alpe Nova) war es so:

Aufstehen um 03:15 Uhr, Kühe holen. Vor dem Melken gab’s ein kleines Frühstück, man hat zusammen Müsli gegessen, aber für Gespräche war es noch zu früh. Nach dem Melken habe ich die Kühe rausgelassen und dann wurde richtig gefrühstückt. Dann ist jeder seiner Arbeit nachgegangen, die Einen in der Sennküche und ich war bis nach Mittag beim Vieh. Nach einem kurzen Mittagsschlaf hat man zusammen die anderen Arbeiten gemacht, Brennholz zum Beispiel. Dann ging es wieder ans Kühe holen, vor dem Melken war noch eine Kaffeepause drin. Nach dem Melken gab es Brotzeit oder es wurde gekocht und um 20 Uhr geht man dann gerne ins Bett.

 

Das sind lange Tage.

 Ja, schon. Aber das geht gut so. Mir ist da nichts abgegangen.

 

Was ist Alpgefühl für dich?

Jetzt muss Daniel ein bisschen überlegen. Das wundert mich nicht, denn Alpgefühl ist kein Wort, das der durchschnittliche Oberallgäuer unbedingt täglich verwendet. In unserem Dialekt benutzt man das Wort „Gefühl“ allgemein eher wenig.

Also.. Letzten Sommer gab es einmal so einen intensiven Morgen. Da waren wir frühmorgens über der Nebeldecke, nur der Grünten hat aus dem Nebel rausgeschaut  und am Horizont ist die Sonne aufgegangen… Das sind so Sachen, die bleiben hängen.

Aber Alpgefühl ist für mich eigentlich eine Zusammenfassung aus vielen Momenten. Das können solche perfekten Sonnenaufgänge sein oder ein schöner Sommerabend mit einem schönen Sonnenuntergang sein, wo man das Vieh in Hörweite hat und einfach alles passt. Das kann aber genauso gut auch ein Tag mit ganz ekelhaftem Wetter sein, solche Tage gehören auch dazu. Es ist nicht immer bloß schön im Berg. Wenn es, so wie letztes Frühjahr, drei Wochen am Stück regnet und du gar nicht mehr weißt, wie du deine Kleidung trocken bringst, ist das auch irgendwie Alpgefühl.

 

Wenn man dich so reden hört, ist klar: Dich bringt man nicht mehr so schnell weg von der Alpe.

 Ja, hoffentlich! Wobei, das kann man nie so genau sagen.

Vorerst klappt es so bei mir und es passt alles.

Aber später vielleicht mit Frau und Kind, das kommt dann drauf an, ob die mitziehen würden.

Falls eine Frau sagen würde, das geht gar nicht, dann wäre das für mich ein Grund, dass man halt nicht mehr in den Berg geht. Dann muss man es halt aufhören. Wenn dann müsste es miteinander gehen.

Und es muss auch von der Arbeit her gehen, dass ich im Herbst immer wieder was habe. Das ist natürlich auch wichtig.

 

Bei Becks auf der Alpe Oberberg hat es dir besonders gut gefallen, oder?

Ja, das waren meine zwei schönsten Sommer, die ich bisher hatte.

Menschlich einfach super, nette Leute und viel miteinander geschafft. Da hilft die ganze Familie Beck, damit es umgeht. Wir haben es super gehabt zusammen.

Und da habe ich viel gelernt. Zum Beispiel das Käsen!

Die Kühe waren schon da, als der Senn wegen einer Verletzung am Rücken operiert werden musste. Dann musste ich ran. Es gab einen Käser-Schnellkurs, ich habe zwei Tage lang alles mitgeschrieben, Temperaturen und Vorgänge, einfach alles. Und zwei Tag hat mir noch ein anderer Senn geholfen und Sachen gezeigt. Dann habe ich es einfach gemacht. Es hat auf Anhieb gut geklappt, das war super.

Bald war der Senn auch wieder vor Ort und hat mir Tipps gegeben, aber er durfte noch eine Weile nichts belasten. So ist es im Berg. Wenn einer ausfällt, müssen die anderen das abdecken.

Als ich es gekonnt habe, habe ich dann eine richtige Leidenschaft für das Käsen entwickelt

 

Und heuer hast du wieder eine neue Herausforderung.

Genau, das wird auch wieder spannend.

Mir tut es schon leid, dass ich im nächsten Sommer nicht mehr auf der Oberberg sein werde. Aber ich habe die Gelegenheit bekommen, einen Jungviehberg bei Gunzesried zu machen. Das wird nochmal ganz anders.

Es dauert eine Weile, bis man das Alpgebiet wieder gut kennt und die Weiden richtig einteilen kann, damit man bis zum Schluss Futter hat.

Da habe ich dann 90- 100 Stück dabei.

 

Wie machst du das, dass du die 100 Tiere in kurzer Zeit kennst und unterscheiden kannst?

 Im Vieh merken bin ich zum Glück ziemlich fit und hab das schnell drin. Ich habe zwar ein Viehbüchlein, in dem ich mir am Anfang die Ohrenmarkennummern aufschreibe und welches Tier zu welchem Bauern gehört, aber das brauche ich schon bald nicht mehr.

 

Wow. Ich könnte das glaub‘ nicht.

Das kann man aber lernen, das konnte ich ja früher auch nicht.

Wenn du dich für was interessierst und du es gerne machst, dann lernst du das auch.

 

Daniel, danke für das gute Gespräch!

 

So verschieden die Umstände und die Aufgaben auf den Alpen auch sein mögen, eins haben alle Älpler gemeinsam: Sie tragen eine große Verantwortung und müssen den Erwartungen ihrer Bauer gerecht werden – und ihren eigenen, die oft noch höher sind./em