Als ich mich mit roten Fingernägeln auf eine Alpstelle bewarb

Als ich mich mit roten Fingernägeln auf eine Alpstelle bewarb

Rote Fingernägel und dazu noch blonde Haare sind wohl keine guten Indikatoren um sich für eine Alpstelle zu bewerben.

Es war schon März und ich bekam kurzfristig die Zusage von meinem Arbeitgeber 3 Monate unbezahlten Uraub für die Alp zu bekommen.

Aber ob ich jetzt noch eine Stelle finden würde? fragte ich mich, normal ist die Hauptzeit zur Vergabe der Alpstellen Dezember und Januar. Ich durchforstete also Tage lang www.zalp.ch, jeden Morgen war die erste Tätigkeit dort zu schauen ob ein neues Inserat hochgeladen wurde.


Ich fand die Alp die ich haben wollte. 120 Milchkühe, für 2 Personen

Nach 2 Wochen kam sie dann, die Stelle die ich bekommen wollte. Eine Alp in Graubünden, 120 Milchkühe, für 2 Personen. Mein damaliger Freund wollte mitgehen, zwar ohne Alperfahrung, geschweige denn landwirtschaftliche Erfahrung, aber was machte das schon, ich war mutig und wollte es unbedingt. Schließlich kann er das auch von mir lernen, dachte ich mir.

Ich habe also angerufen und meinte dass ich in zwei Tagen vorbei kommen würde um mich vorzustellen. Ich schwindelte ein wenig und sagte, dass mein Kollege nicht mitkommen könnte, weil ich Angst hatte sie würden ihn ausfragen über die Alp, wovon er aber keine Ahnung hatte. (seht es mit Humor, manchmal muss man eben Pokern 😉 ) Das war mir zu riskant die Alpstelle deswegen doch nicht zu bekommen.


Manchmal muss man eben pokern

Ich packte also die Bergschuhe (rustikale La Sportiva) in den Kofferraum und fuhr los. Nahm aber als Ersatz meinen älteren Bruder mit der schon mehrere Alpsommer hinter sich hatte. Selten war ich so nervös. Aber wer nicht wagt der nicht gewinnt, oder?

Wir kamen an. An einem Hof, niemand weit und breit. Ich stieg aus, zog mein Handy aus der Tasche um den Alpmeister anzurufen dass wir da waren. Und dann der Schock. Erst jetzt als ich das Handy in den Händen hielt fiel mir auf, dass ich !ROTE! Farbe (glänzend) auf meinen Fingernägeln trug. Es schien mir fast wie mein Todesurteil.


Rote Fingernägel und Alp passten definitiv nicht zusammen, das wusste ich.

Mir wurde ganz heiß. Hoffentlich hat dieser Alpmeister keine Vorurteile, und noch besser wäre es, wenn er es gar nicht erst sieht. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen dass ein Bauer aus den hintersten Bergen hinter jemandem mit blondem Haar, zierlicher Figur und dann auch noch roten Fingernägeln eine gute Älplerin sehen würde.

Mein Bruder konnte sich vor Lachen und Schmunzeln fast nicht halten, was mich nicht unbedingt mutiger machte. Aber die Situation war einfach zu komisch. (vorallem im Nachhinein)

Der Alpmeister kam und mit ihm gleich noch zwei weitere Bauern der Alp. ja wunderbar, es kommt immer besser.


Ich versuchte meine Hände möglichst in meinen Taschen versteckt zu halten.

Mit den Händen in den Westentaschen versteckt stand ich also da. Darauf bedacht dennoch eine lockere Haltung zu bewahren. Zumindest äußerlich. Nachdem mir aber ein Bauer seine Hand entgegenstreckte war mein Plan vorrüber. Und tatsächlich, einer erblickte es, das auffällige Rot und seine Augenbrauen schnellten für einen kurzen Moment nach oben. „was sucht denn die hier“ musste er sich wohl denken. Er plapperte etwas auf Romanisch zu den anderen, das ich leider nicht verstand. Ich hätte aber wetten können um was es ging. Ich knirschte vor Ärger über mich selbst mit den Zähnen.

Der Alpmeister meinte dann, dass wir uns die Alp anschauen gehen könnten, allerdings laufen müssten. Ich packte also meine Bergschuhe aus und zog sie an. Wieder plapperten sie etwas auf romanisch.


Ich dachte, der Karren ist im Dreck, die Alp bekomme ich nie.


Wir hatten uns alles angeschaut, die Alp war quasi perfekt. Für mich war es klar, ich wollte sie. Nach einigen informativen Fragen und Antworten stellten die drei sich also zur Seite und diskutierten auf romanisch, das ich wieder nicht verstand. Wohl über mich. Denn sie schauten immer wieder zu mir hinüber. Sollte es an meinen Fingernägeln liegen, trage ich nie wieder Nagellack, dachte ich mir damals.

Der Alpmeister kam und teilte mir mit, dass sie meinen Freund und mich als Alpteam nehmen würden. Ich musste aufpassen dass mir die Kinnlade nicht herunter fiel, so überrascht war ich.

Wir handelten noch schnell den Alplohn aus und schon hatte ich einen schönen Alpsommer vor mir.


Mich interessierte aber brennend warum sie mich genommen hatten.

Im nächsten Sommer fragte ich die drei was ihnen eigentlich einfiel mich zu nehmen?

Die Antwort: „Wir waren wirklich unter Zeitdruck und mussten entscheiden, wir waren froh und hofften einfach dass es funtkioniert. Und wir dachten, du hast zumindest gute eingelaufene Bergschuhe dabei. Bei uns hat sich schon so mancher mit Sandalen vorgestellt. Aber warum um Himmels Willen hattest du eigentlich rote Fingernägel?“

Ich hatte also ziemlich viel Glück. Die Alp war toll, die Bauern wirklich nett und ehrlich, wie man es sich als nur wünschen kann, und sie schienen zufrieden gewesen zu sein.

Denn diese Alp durfte ich noch 3 Sommer hintereinander machen – ohne rote Fingernägel, bis ich den Sommer über nicht mehr frei bekam.