27 Dez Die Trockenheit – Lehrreich. Wenn die Kuh den Geldschein nicht frisst.
Die Trockenheit. Lehrreich.
(Alpsommer 2018)
Ich habe einer Kuh hier oben auf der Alp einen 100er Schein hingehalten. Sie hat ihn nicht gefressen. Das Münzgeld hat sie nicht einmal angeschaut.
Ich sitze gerade vor unserer Hütte und schreibe diesen Text. Wie so oft hier oben kommen mir Gedanken in den Sinn die ich eigentlich sofort zu Papier bringen sollte. Meistens wenn ich lange gelaufen bin, während eines harten Arbeitstages. Heute und eigentlich auch den ganzen Sommer schon ist es die Trockenheit, die mich beschäftigt. Den ganzen Sommer – zwangsweise, denn das hat unsere Arbeit hier oben, und die Arbeit vieler Bauern im Tal sehr geprägt.
Wir arbeiten schließlich mit der Natur. Sie ist unser Arbeitgeber. Berufsrisiko? Ja, auch. Der Sommer war schön, Alp eben, aber auch irgendwie hart. Härter als sonst. Und anders. Mühsamer.
Und heute, ja heute beschäftigt es mich ganz bewusst. Es ist Mitte September, eigentlich Herbst. Ich sitze in kurzen Hosen und Trägershirt hier oben. Im Schatten, versteht sich denn es ist ziemlich heiß. Ich kann mich noch erinnern, letztes Jahr um diese Zeit war es kalt. Morgens hatten wir Frost. Wenn ich so recht darüber nachdenke, mag ich dieses warme Wetter eigentlich lieber wie Frost, wenn die Sonne kitzelt und man nicht friert. Doch es fühlt sich dennoch falsch an in diesem Moment. Seit Wochen kein richtiger Regen. Eigentlich schon fast den ganzen Sommer. Das Gras: verbrannt. Der Boden: wie Beton. Auch das Vieh geht dieses Jahr nicht so sattgefressen und schön von der Alp wie sonst.
Ich habe hier oben gelernt viele Dinge anders zu sehen.
Nicht nur von meinem eigenen Blickwinkel aus, weil ja gerade ich einen tollen Nutzen davon habe. Nein. Sondern mehr an das Gemeinwohl gerichtet. Auch einmal die anderen Perspektiven anschauen, denn meistens versteckt sich dahinter etwas. Unerwartet. Was manches klärt. Oder eben auch nicht. Und die gefestigte Meinung verschiebt. Der Aha Effekt.
Was die Trockenheit angeht bin ich erstaunt wie viele Menschen noch immer der Überzeugung sind, dass man mit Geld alles kaufen kann.
Nein das kann man eben nicht. Und genau das wird mir diesen Alpsommer umso mehr klar. Wenn jemand das Thema Trockenheit und zu wenig Futter mit „dann kauf halt was“ kommentiert dann hat derjenige wohl nicht verstanden was hier passiert.
Anfang August kamen ein paar Bauern auf die Alp um Kühe, die nicht trächtig sind zu holen. Sie gehen zum Metzger, denn das Futter reicht dieses Jahr einfach nicht aus um sie durch den Winter zu bringen. Fallender Schlachtpreis, steigender Heupreis. Einfache Rechnung mit dem noch einfacheren Ergebnis was zu tun ist. Zugegeben, ich habe es auch davor schon immer wieder über die Nachrichten lesen können. Die Schlachthöfe ausgelastet wie sonst nie um diese Jahreszeit. Im Radio ein Bauer, der berichtet, dass er wegen der Trockenheit einen Schaden von 30.000 – 40.000 Franken hat. Je nachdem wie der Herbst sich noch Futtertechnisch entwickelt. Jeden Tag die schwere Entscheidung welches Tier verkauft oder zum Schlachter gebracht werden muss. Traurig eigentlich.
Der Klimawandel. Er ist schon sehr nahe.
Doch zugegeben, da in den Nachrichten war es irgendwie fern. Ging mich quasi nichts an. Hat mich ja auch nicht betroffen.
Doch dann werden Kühe geholt, die einem über den Sommer ein wenig ans Herz gewachsen sind.
Klar, es ist durchaus so, dass sie vielleicht im Winter so oder so zum Schlachter gekommen wären. Realistisch und wirtschaftlich gesehen läuft das einfach so. Vielleicht wäre die ein oder andere Lieblingskuh auch über den Winter geblieben. Sei es dahingestellt. Doch dass es so ist, weil es einfach nicht genug Futter hat. Und hätte man auch noch so viel Geld, es einfach auch kaum mehr eines zu kaufen gibt, das ist irgendwie etwas anderes.
Ich habe letzte Woche einer Kuh einen 100 Frankenschein hingehalten, sie hat ihn nicht gefressen. Auch das Münzgeld nicht. Das hat sie nicht einmal angeschaut.
Vor ein paar Tagen ging ich nach langer Zeit einkaufen, fast den ganzen Sommer, fast 100 Tage verbrachten wir hier oben, wir sind hinunter in die Stadt gefahren, jetzt haben wir, da es dem Ende zugeht mehr Zeit. Dort hat ein neues Einkaufszentrum aufgemacht. Das interessante nach so einem Alpsommer ist immer wie sehr einem dann bestimmte Dinge dort unten und bei der Gesellschaft, auffallen an die man sich im normalen Leben sehr schnell gewöhnt und diese deswegen übersieht. Ich bin in den Laden gelaufen. Massen an Lebensmittel. Alles was das Herz begehrt. Es gibt eigentlich nichts was es nicht gibt.
Was du möchtest bekommst du auch. Du musst ja nur das Geld auf den Tisch legen. Und wenn es das eigene Land nicht hat, wird es eben importiert. Mangel gibt es bei uns im Westen nicht.
Von der Trockenheit und genau diesem Mangel, nämlich dem Mangel an Regen und Wasser ist in den Läden keine Spur. Schneller, besser, schöner, ohne Makel muss alles am besten sein. Und genau das hat der Laden sofort vermittelt. Ein Schauspiel mit dem Titel Sorgenfrei und Überfluss.
Ich fand das irgendwie schockierend.
Ich kann für mich selbst noch nicht sprechen auf was für einen Entschluss ich kommen will. Und vor allem wie das alles zu erklären ist. Vielleicht schlägt Mutter Erde Natur einfach zurück, weil wir auf sie zu viel Preisdruck ausüben, sie Gnadenlos ausnehmen und nichts mehr zurück geben.
Preisdruck auf die Natur hat noch nie funktioniert und wird auch auf die Dauer nicht funktionieren. Es rächt sich irgendwann.Und dazu gehören für mich Land, Berge, Tiere und auch wir Menschen.
Ich denke, dass durch diesen Sommer in diesem Winter einige ihr Bauernwerk niederlegen müssen. Ich denke auch dass dieser Sommer noch weitere unschöne Auswirkungen haben wird.
Aber ich denke leider auch, dass viele so mit Scheuklappen in dieser Welt herumlaufen, von Egoismus und Geld getrieben und genau diese Auswirkungen nicht einmal zu sehen bekommen bzw. gar nicht erst sehen wollen.
Das Thema , dass man mit Geld weder Glück, noch Regen, noch Sonne kaufen kann sollte uns gerade dieses Jahr eigentlich eine Lehre sein.
Ich für mich als Älpler bringe nach diesem Sommer die Tiere zurück zu den Bauern, merke eigentlich nichts davon, von dieser Trockenheit, rein theoretisch ist für mich das Thema somit vorbei. Ich muss kein Tier über den Winter füttern.
Doch ich denke auch die Älpler werden im nächsten Sommer eine Veränderung spüren. Sicher bin ich mir nicht. Aber wenn es weniger Vieh hat und immer mehr Bauern hier Werk niederlegen müssen, können auch weniger Alpen bestossen werden. Hoffen wir auf das Beste.