12 Dez Und was machst du so im Sommer? Ärschen hinterher laufen und Glücksmomente sammeln.
Er: Und was machst du so im Sommer?
Ich: Meistens laufe ich Ärschen hinterher und bin in den Bergen unterwegs. Also auf der Alp.
Er: Aha. Und das macht Spaß? Wird dir da nicht langweilig?
(Er so im Sommer: Täglich im Büro sitzen. Acht bis zehn Stunden ein flimmernder Bildschirm. Danach erst mal Fitness. Man braucht ja doch den Ausgeleich. Mit dem Auto dort hin, im Stau stehen um dann mit dem Spinning Bike 10 Kilometer zu radeln. Verschwitzte Luft, neben dir einer auf dem Laufband. Anschließend die verdiente Portion Pommes, oder doch lieber der Asia Gourmet von neben an. Heute zu teuer, wir nehmen den guten alten Döner, da ist ja Salat mit drin. Nebenbei noch die neuesten Nachrichten am Smartphone abchecken. Zuhause angekommen. Fernseh an, mit viel Glück und Geld läuft sogar Sky, ansonsten zahl ich eben GEZ. Lesen wär mir grad zu anstrengend. Die Arbeit hat mich einfach zu fertig gemacht. Morgen möcht ich ja wieder fit sein. Für die Arbeit. Um meine Rechnungen bezahlen zu können, mein neues Auto, die Partys am Wochenende, die GEZ Gebühr, Kleidung um andere zu beeindrucken. Noch schnell die Packung Chips aus dem Schrank holen und RTL 2 einschalten, was läuft auch sonst? Und alles nur damit man auch am nächsten Tag mitreden kann.)
Ich: Nein, ich kann dir sicher sagen dass es mir dort oben nicht langweilig wird. Morgens um halb 4 klingelt der Wecker, Kühe holen, melken. Manchmal leuchten während dem Kühe holen sogar die Sterne am Himmel. Das ist atemberaubend. So ein kleiner feiner Glücksmoment. Und dann treibe ich die Kühe wieder nach draußen. Dann geht es an das Stall sauber machen. Prio 1: Scheiße schieben, ja und im wahrsten Sinne des Wortes fasst man ab und zu wirklich so richtig in die Scheiße…. aber das tust du mit Sicherheit bei der Arbeit auch ab und zu oder?
Er: Ach… ja, mein Chef, der ist wirklich ab und zu sch…. (er beschwert sich eine Weile über seinen Chef, seine Arbeit im allgemeinen, ich bin ehrlich gesagt etwas unhöflich und höre nur mit einem halben Ohr zu.)
Er: Aber sonst? Dort oben wird es doch bestimmt irgendwann langweilig oder? Vermisst du dort nichts? Partys? Zivilisation?
Ich: Naja, vielleicht manchmal, aber eher selten. Irgendwie habe ich das Gefühl dass in den Bergen, egal ob du auf der Alp bist oder einfach nur ein Wochenende in den Bergen verbringst grundsätzliche menschliche Dinge mehr gelebt werden. Gemeinsam kochen, Reden, Spieleabende, einen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang wortlos erleben. Ich könnte dir noch mehr Dinge aufzählen. Und langweilig? Nein langweilig wird es dir dort oben sicher nicht. Ganz im Gegenteil, 7 Tage die Woche harte körperliche Arbeit. Zivilisation? Ja das sind dann die Mitälpler, Bauern und die ganzen Kühe und Rindviecher. Und dabei habe ich festgestellt dass es diese Rindviecher auch im Büro im Tal gibt. Der Unterschied, die einen tragen Kuhglocken, die anderen Smartphones. Die mit den Kuhglocken sind mir von Zeit zu Zeit aber eindeutig lieber…
Er: (hakt sofort dazwischen ohne dass ich zu Ende reden kann) ja diese Smartphones heut zu Tage, ich habe wahrhaftig auch Rindviecher im Büro. Und sie hängen jede freie Minute an ihrem Handy, zu keinem vernünftigen Gespräch mehr fähig. Früher, als ich noch jung war… (er beschwert sich ein paar Minuten über die heutige Gesellschaft, ich höre wortlos zu, muss grinsen, da er gerade selbst 5 Minuten mit seinem Handy verbrachte)
Er: aber habt ihr da dann überhaupt Netz und so? Ich meine damit du mal ins Internet kannst?
Ich: ja habe ich schon, manchmal mehr manchmal weniger, je nach Wetter. Aber das interessiert nicht wirklich. Die Zeit die man zum Ausruhen hat nutzt man lieber für Sonne genießen, den Kuhglocken lauschen oder lesen. Interessant wie solche Handy- Dinge in den Bergen plötzlich zur Nebensache werden. Ich würde behaupten man wird in der Natur, in den Bergen wieder gewurzelt.
Er: Aha, kann ich irgendwie so halb nachvollziehen. Nicht jeder kann ja sein Handy einfach nicht beachten, wenn ich mir vorstelle wie oft mir jemand schreibt oder mich anruft, wäre es fast unmöglich ohne Handy (er erzählt mir wie wichtig er ist und wie stressig sein Leben eigentlich ist, der arme Tropf. Ich denke mir während dessen dass es doch interessant ist, jeder schafft sich sein eigenes Gefängnis, hat die Wahl etwas in seinem Leben zu ändern, entweder weiter in diesem Gefängnis zu leben oder daraus auszubrechen).
Er: Dann gehst du ja auch den ganzen Sommer nie feiern, shoppen, das was Frauen halt sonst so machen?
Ich: Shoppen? Nein, die treuen Begleiter sind Gummistiefel und Bergschuhe, ein paar ordentliche Hosen und Pullis, auf der Alp ist mehr der Zweck wichtig als wie das Aussehen. Und stell dir vor, wir Frauen laufen dort sogar ungeschminkt herum. (ich lache, er nur ein bisschen). Ja und zum Thema Partys, nicht in der Form wie du es vielleicht kennst, aber glaub mir, wir haben dort oben unsere eigenen Partys die wir ausgiebig feiern. Vielleicht veranstalte ich mal eine Kuhstallrotlichtparty, dann lade ich dich ein. (Er merkt dass es Ironie und nur ein Spaß war). Aber zugegeben, man überlegt sich immer zwei mal wie lange man abends wach bleibt wenn man am nächsten Morgen und für den restlichen Sommer früh raus muss. Und ja, Ende Sommer freut man sich immer ein bisschen auf zuhause.
Er: ihr könnt nie Ausschafen? Nicht mal einen Tag? Auch keinen Tag Urlaub? Kein Wochenende?
Ich: Nein, es ist tatsächlich so dass Kühe auch samstags und sonntags Milch geben, auf ihren Weiden stehen und auf uns warten.
Er: Krass. Dann kommst du ja fix und fertig wieder zurück.
Ich: nein, wie auch immer das zu erklären ist, ich komme erholter zurück wie nach jedem anderen Urlaub in dem ich gar nichts tue. Ich denke, weil ich auf der Alp leben kann, weil es einfach Leben ist, draußen sein, seinen Körper fühlen wenn man abends fix und fertig im Bett liegt, die Natur genießen… ohne den ganzen Konsum, mit mehr selbstproduzierten Glückshormonen – aber man muss auch dazu sagen, dass man Glück nur bekommt, wenn man zum einen die passende Einstellung dazu hat und auch das viele kleine Glück sieht, das unscheinbare.
Er: naja gut, dann suche ich mal das kleine Glück… entschuldige, mein Telefon klingelt, ich muss los, dieser Stress schon wieder.
Wir verabschieden uns noch voneinander.
Ich gehe wieder meinen Weg und er seinen.
Und wieder wird mir bewusst dass wir für uns selbst Verantwortung übernehmen müssen. Glück kann man nicht kaufen. Sein Leben gestaltet man sich immer selbst indem man Entscheidungen trifft, auch wenn man meint man trifft keine Entscheidung, hat man doch eine getroffen.
Bau dir kein Gefängnis, Bau dir ein Leben mit Erinnerungen und vielen kleinen Glücksmomenten.
Und wenns es mal nicht so toll läuft, denke ich immer daran: auch auf der Alp muss man mal in die scheiße greifen.