Wie ich mich direkt nach meinem ersten Alpsommer fühlte

Wie ich mich direkt nach meinem ersten Alpsommer fühlte

Nach einer langen Zeit in den Bergen, weg von Zuhause,  ging der Sommer zu Ende und es wurde wieder Zeit in meine Heimat zurück zu kehren. Die Zeit in den Bergen war schön, doch heim zieht es mich irgendwie am Ende trotzdem. Die Vorfreude wächst Freunde Bekannte und Verwandte wieder zu treffen, wieder einmal auszuschlafen, vielleicht auch mal wieder schicke Essen zu gehen, wer weiß?alp-2014-1167-2

Ich räume die letzten Sachen zusammen, lege die letzten Zäune nieder, mache meine Alphütte noch einmal sauber. So sauber wie ich sie vorgefunden habe – denn wer weiß ob ich wieder komme oder ob diese Alp im nächsten Sommer jemand anderes machen darf. So schwinge ich noch ein letztes Mal den Besen, überprüfe nochmals jeden Schrank und ob ich auch alles eingepackt habe.

Ein letztes Mal zu den Bauern „Tschau“ „Ade“ „Aufwiedersehen“ sagen, den verdienten Lohn abholen. Noch einmal den Hund streicheln, bevor ich ihn an den Bauern, von dem ich ihn geliehen habe heile zurück bringe. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge –  denn ich werde sie vermissen, wie sie mir den Sommer über immer zur Seite gestanden hat, sich jedes Mal gefreut hat, wenn sie mit mir gehen durfte, egal wohin, sie war zuverlässig, ich habe ihr vertraut, sie hat mir vertraut. Doch ihr bei ihrem Bauern geht es ihr besser.

Irgendwann werde ich mir selbst einen treuen Begleiter für meine Seite wünschen,

doch jetzt könnte ich ihm im Tal an Bewegung und Auslauf in einer einfachen Wohnung nicht gerecht werden.

Alles ist erledigt, jetzt fehlt nur noch eines: mit vollgepacktem Auto die Heimreise antreten und dem liebevollen Dorf und seinen Menschen und dem herrlichen Berg über den Winter den Rücken kehren.

Während der Fahrt Nachhause trage ich ein zufriedenes aber aufgeregtes Lächeln im Gesicht. Gedanken schwirren durch meinen Kopf.Ich mache mir Vorsätze, für die Zeit nach der Alp. Vor allem geht es dabei darum das mitzunehmen, was ich dort oben wieder zu schätzen gelernt habe:

Auf mich selber achten und mir selber Gutes tun.

Sich die Arbeit machen getrocknete gesammelte Kräuter als Tee zu trinken, anstatt schnell einen Teebeutel in die Tasse zu hängen. Sein Essen schätzen und nicht mehr so viel wegschmeißen. Viel Laufen und wann immer möglich in die Berge gehen. Immer daran denken dass man Glück nicht kaufen kann – neue Dinge machen nur für einen kurzen kleinen Moment glücklich. Nicht mehr so viel Fernsehen – mehr lesen. Mehr darüber lernen was die Natur uns gibt – Kräuter zum Heilen nehmen, anstatt Medizin. Ich könnte unendlich viel aufzählen.

Bei der Hälfte der Strecke halte ich nochmal kurz an einem See mitten in der Natur an.hiker-1149898_640

Von einem Bauern habe ich ein kleines Säckchen geschenkt bekommen mit Wurst, feinstem Trockenfleisch und richtig altem gereiftem Käse darin. Ich nehme das Päckchen und setze mich damit ins Gras. Nochmal kurz zur Ruhe kommen, die letzten ruhigen Momente genießen. Ein Stück Trockenfleisch und ein Stück Käse schiebe ich mir in den Mund, schließe kurz die Augen und denke an Zuhause. Sorgenfrei, ja wirklich irgendwie sorgenfrei. Stolz, das geschafft zu haben. Jetzt ist es aber Zeit zu gehen. Ich steige wieder in mein Auto und fahre die letzten Kilometer in Richtung Heimat.

Manchmal denkt man, in der ganzen Zeit wo man auf der Alp gewesen ist, hätte man Zuhause etwas verpasst,

doch kommt man einmal an merkt man, dass man rein gar nichts verpasst hat, es ist immer noch alles gleich wie vorher. Die Menschen, die Umgebung, alles.

Im ersten Moment enttäuscht es mich, ich habe mir das Heimkommen irgendwie aufregender vorgestellt, aber auf der anderen Seite beruhigt es, das alles noch so ist wie vorher.

Das Einzige was sich geändert hat bist du selbst.

Das Einzige was sich geändert hat bin aber ich selbst. Erst mal räume ich mein Auto aus und verstaue alles in meiner Wohnung. Irgendwie finde ich meine ganzen Sachen wahnsinnig besonders und „neu“. Was wohl daran liegt dass ich sie so lange gar nicht hatte. Alles erledigt und ich schalte kurz den Fernseher ein (trotz der guten Vorsätze im Auto)  weil ich im ersten Moment nicht weiß was ich gerade sonst mit mir anfangen soll. Doch ich stelle fest, dass es mich nicht mehr interessiert. Es kommt wirklich und wahrhaftig nur „Müll“ und „Mist“ im Fernsehen, oder Werbung in der wir zu unnützen Sachen verführt werden. Ich schalte also schnell wieder aus, nehme mir ein Buch und verbringe so meinen Abend.

train-1807911_640

Das erste Mal wieder in der Stadt.

Eine Freundin ruft an und schlägt vor mit mir am nächsten Tag eine Einkaufstour zu machen. Ich denke an meinen Alplohn, meine letzten drei Monate ohne Weggehen, Einkaufen und sonstiges.

Ich beschließe warum eigentlich nicht?

Gesagt getan, nächster Tag die Fahrt in die Großstadt (München) zum Einkaufen.

Die Fahrt dorthin (2,5 Stunden) war die Hölle und die Zeit kam mir komplett verschwendet vor. So lange im Auto sitzen? Während dessen hätte ich einen schönen Berg erklimmen können, denke ich mir.

Doch ein bisschen Freude hatte ich dennoch,

vielleicht würde ich ja ein paar schöne Sachen finden, neue Schuhe, vielleicht eine bequeme Jeans.

Dem war nicht so. Mitten im Trubel, gestern noch in den Bergen – Ruhe – wenig Menschen – Natur,  heute Großstadt – Trubel, viele Menschen…

Ich kann nur eines sagen, an diesem Tag habe ich nichts gekauft.

Ich ging in zwei Läden und daraus auch bald wieder heraus. Letztendlich setzte ich mich dann auf eine Bank und verbrachte fast den ganzen Nachmittag damit einfach nur die Leute zu beobachten.

Und wisst ihr was mir aufgefallen ist?

Es sind keine Menschen mehr sondern sie verhalten sich wie Roboter.

Sie rennen aneinander vorbei, die einen rempeln sich an, doch es kommt kein Entschuldigung, kein Sorry, nicht mal ein Umdrehen.

In den Läden hängen überall Prozente, billig und noch billiger, schöner und noch schöner, Sexy, geschminkt, hier noch ein bisschen Glitzer, wenn du möchtest dass dich jemand mag dann kauf dies, kauf das, trage dieses Teil, das macht dich schlanker – in der nächsten Ecke aber eine Zeitschrift mit „sei du selbst und fühle dich wohl in deiner Haut“. Ein Kind das im Kinderwagen sitzt und mit einem Iphone spielt?

Aber es war auch ein sogenannter Aha-Moment

wie einen so eine Zeit in Natur und Bergen – auf der Alp – doch so verändern kann.

Sonst war ich von Medien und Konsum umgeben. Und irgendwann scheint es auch als normal. Man merkt nicht mehr wie man beeinflusst wird, wie getrieben man ist. Man denkt sich nichts dabei weil die Masse es so macht. Doch ist das richtig und gut?

An diesem Tag bin ich zum Teil enttäuscht Nachhause gegangen – jedoch mit vollem Geldbeutel 😉 . Ich war überfordert mit den ganzen vielen Menschen, die hektisch aneinander vorbei rannten und mit den ganzen vielen Dingen.

Aber erst dadurch ist mir aufgefallen wie verdreht das alles eigentlich ist.

Leider wurde ich in den nächsten Monaten mehr oder weniger zwangsweise wieder an das alles gewöhnt. Aber nicht komplett, denn in meinem Kopf und Herzen blieb nicht nur eine Lektion zurück:

Glück kann man nicht kaufen.

Was die Masse macht, ist noch lange nicht richtig.

Wenn du den Kopf frei bekommen willst um klar denken zu können, gehe in die Natur.